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02.07.2015

Und plötzlich ist man heimatlos

Esslinger Zeitung - Alexander Maier

ESSLINGEN - Bettina Fehrenbach und ihre Kinder haben beim Brand am Athleteneck mehr als nur ihr Hab und Gut verloren

Manchmal schlägt das Schicksal zu, wenn man es am wenigsten erwartet. So wie vor gut einer Woche in der Esslinger Altstadt, als zwei Häuser an der Ecke Pliensaustraße und Oberer Metzgerbach in Flammen standen. Die Feuerwehr hat Schlimmeres verhütet, Menschen kamen nicht zu Schaden. Nun werden die Spuren des Feuers abgetragen, immer seltener bleiben Passanten stehen, um die schwer beschädigten Gebäude anzuschauen. Der Alltag scheint zurück. Für Bewohner und Geschäftsleute aus den beiden Häusern und einem Nachbargebäude, das schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, ist an Alltag noch lange nicht zu denken. Sie stehen vor den Trümmern dessen, was sie sich aufgebaut hatten. So wie Bettina Fehrenbach und ihre Zwillinge Simon und Hannah (16), die durch das Feuer mehr als nur ihr Hab und Gut verloren haben. „Am schlimmsten ist, dass man sich plötzlich heimatlos fühlt“, sagt die Mutter. Deshalb beschäftigt sie vor allem ein Gedanke: „Wir brauchen so schnell wie möglich eine neue Wohnung, damit unser Leben wieder richtig weitergehen kann.“
Wenn Bettina Fehrenbach und ihre Kinder am Athleteneck stehen und zu ihrer Wohnung im zweiten und dritten Obergeschoss des Eckhauses hinauf schauen, können sie noch immer kaum glauben, was vor gut einer Woche passiert ist. „Manchmal wachen wir frühmorgens auf mit dem Gedanken, dass alles vielleicht nur ein böser Traum gewesen ist“, sagt Hannah. Doch dann werden wieder die Bilder jenes Mittwochabends lebendig, der ihr Leben von einer Sekunde zur nächsten auf den Kopf gestellt hat. Hannah war damals bei ihrem Freund, Mutter Bettina war bei ihrer Weiterbildung - allein Hannahs Zwillingsbruder Simon war zuhause. „Ich war in meinem Zimmer, als ich einen Knall hörte. Und als ich in den Flur geschaut habe, war schon alles verqualmt.“ Geistesgegenwärtig hat der junge Mann ein Tuch gegen den starken Rauch vors Gesicht gehalten, noch rasch die Sicherungen rausgedreht und dann auf schnellstem Weg das brennende Haus verlassen. „Wenn ich mir vorstelle, was alles hätte passieren können, wenn Simon gerade Musik gehört und den Knall nicht bemerkt hätte, wird mir ganz übel“, sagt seine Mutter.
Als ihr Sohn sie sofort verständigte, nachdem er in Sicherheit war, wusste Bettina Fehrenbach zunächst nicht, wie ihr geschah. Eine Kollegin aus der Weiterbildung hat sie nach Esslingen gebracht - vor ihrer Wohnung angekommen, wartete ihr Sohn inmitten der chaotischen Situation auf sie. Und auch Hannah war gleich zur Stelle: „Ich hatte die Sirenen der vielen Feuerwehrautos gehört und mir noch gedacht, dass ich am nächsten Tag in der Zeitung nachschauen muss, was da los war.“ Sekunden später war klar, was wirklich geschehen war. „Als wir vor dem Haus standen und zuschauen mussten, wie die Feuerwehrleute mit Atemschutzmasken in unserer Wohnung gelöscht haben und brennende Dinge auf die Straße werfen mussten - das war so unwirklich“, erinnert sich die 16-Jährige.
Da hatte ihr Bruder noch Hoffnung: „Anfangs habe ich mich mit dem Gedanken getröstet, dass alles vielleicht gar nicht so schlimm sein könnte. Und dass es vielleicht genügen würde, die Wohnung gründlich durchzuputzen, damit wir wieder einziehen können.“ Mittlerweile wissen die Fehrenbachs, dass das ein Traum bleiben wird. „Als ich zum ersten Mal wieder in der Wohnung war, gab es Ecken, die auf den ersten Blick gar nicht so schlimm aussahen“, sagt Bettina Fehrenbach. „Doch wenn man genauer hinschaut, merkt man das Ausmaß der Schäden. Alles ist mit einer dicken Rußschicht überzogen, in der Luft liegt ein beißender Geruch, und man kann - wenn überhaupt - nur mit Schutzkleidung und Maske ins Haus.“
Was alles für die 52-Jährige noch viel schlimmer macht: „Man hat das Gefühl, mit so vielem alleingelassen zu sein. Da ist niemand, der einem sagt, was in solch einem Fall zu tun ist. Und wer weiß das schon?“ Das fängt schon damit an, dass sie sich erst mal mühevoll im Internet zusammensuchen musste, wie man mit den Dingen, die noch heil zu sein scheinen, umzugehen hat. Was darf man nach gründlicher Reinigung weiterbenutzen und was nicht? Und was ist durch die Rauchgase derart kontaminiert, dass man die eigene Gesundheit gefährden würde? Manchmal müssen Versuch und Irrtum helfen. „Ein paar intakte Kleider, die ich aus der Wohnung holen konnte, habe ich probeweise in die Waschmaschine gesteckt. Jetzt riecht die ganze Wohnung meiner Freundin, bei der ich für die ersten Tage unterkommen konnte, nach Rauch“, ahnt Bettina Fehrenbach, dass wohl nur wenig zu retten ist. „Und ich hatte noch nicht mal eine Hausratversicherung“, klagt sie. „Jetzt muss ich für einen Schaden, für den ich überhaupt nichts kann, ganz alleine aufkommen.“
Kommende Woche kann Bettina Fehrenbach, die in Scheidung lebt, mit ihren Kindern erst mal zurück in die frühere Wohnung der Familie. „Mein Mann zieht extra früher als geplant aus, damit meine Kinder und ich erst mal eine Bleibe haben.“ Doch die Wohnung ist bereits gekündigt, in einigen Wochen müssen die drei auch dort wieder raus. Und dann müssen sie wieder ganz von vorn anfangen. „Nach der Trennung hatten wir uns so auf den Neubeginn gefreut“, sagt Bettina Fehrenbach. „Bisher waren die Kinder abwechselnd bei meinem Mann und mir - demnächst sollten sie fest bei mir einziehen.“ Die Kinder hatten schon alles vorbereitet: „Alles, was mir wichtig war, hatte ich in die Wohnung gebracht“, sagt der 16-jährige Simon. „Das ist alles verloren.“
Ähnlich ergeht es seiner Mutter: „Nach einer Trennung neu anzufangen, ist nicht leicht. Und nun fängt alles wieder von vorn an.“ Das bringt der 52-Jährigen zum Teil kuriose Probleme: „Ich hatte mir zum Beispiel ein neues Bett gekauft, mit dem ich ganz glücklich war. Das ist total zerstört. Jetzt muss ich ein Bett weiter abbezahlen, das es gar nicht mehr gibt.“ Doch das ist in diesen Tagen noch eine der kleineren Sorgen. „Zum Glück konnte ich einen großen Teil unserer persönlichen Dokumente retten“, freut sich Bettina Fehrenbach. „Das alles wieder zu bekommen, wäre sehr schwierig geworden.“ Für immer verloren sind dagegen unzählige persönliche Erinnerungen: Fotografien, lieb gewonnene Erinnerungsstücke, Geschenke von Freunden und Verwandten, Kleider, die man besonders gern getragen hat - und Kunstwerke, die Bettina Fehrenbach gesammelt hatte: „Vieles könnte man sich zumindest theoretisch wieder kaufen, wenn man das nötige Geld dafür hätte. Manches ist jedoch unwiederbringlich. Das tut meinen Kindern und mir besonders weh.“
Doch zunächst geht es für die Esslingerin und ihre beiden Kinder darum, die alltäglichsten Dinge so rasch wie möglich wieder ins Lot zu bringen. „Ich besitze nur noch die Kleider, die ich getragen habe, als das Feuer ausgebrochen ist“, erzählt Simon Fehrenbach. „Nicht mal meine Schuhe konnte ich mir damals anziehen, weil alles ganz schnell gehen musste, um mich in Sicherheit zu bringen.“ Und seine Schwester ergänzt: „Früher konnte ich mir vor dem Kleiderschrank überlegen, was ich am liebsten anziehen möchte. Heute bin ich froh, dass ich überhaupt noch etwas habe, das ich anziehen kann.“ Und ihre Mutter ergänzt: „In unserer früheren Wohnung hatte ich noch ein paar Kleidungsstücke, die ich eigentlich gar nicht mehr haben wollte. Die weiß ich jetzt wieder ganz neu zu schätzen. Und ich bin froh über jede Unterstützung, die wir erhalten.“
Hilfreiche Angebote von Freunden, Verwandten und Bekannten, aber auch von fremden Leuten, die vom Schicksal der drei gehört hatten und einfach nur helfen wollen, gab es bereits. „Doch das alles muss ja koordiniert sein“, sagt Bettina Fehrenbach. „Und wenn man plötzlich vor solch einer Situation steht, muss man unzählige Dinge gleichzeitig regeln.“ Und nebenbei muss ja das Leben irgendwie weitergehen: Bettina Fehrenbach hatte nur zwei Tage nach dem Großbrand die letzte Abschlussprüfung ihrer Weiterbildung, Hannah und Simon hatten am Dienstag den letzten Schritt auf dem Weg zur Mittleren Reife zu gehen. „Und wir haben es alle drei gut hingekriegt, obwohl wir Sorge hatten, dass unsere Gedanken anderswo sein könnten“, sagt die Mutter. „Aber uns war’s allen wichtig, dass wir das schaffen. Den Erfolg unserer Ausbildungen durften wir nicht auch noch verlieren.“ So tasten sich die drei nun zurück in ein geregeltes Leben, auch wenn jeder Schritt dorthin noch schwerfällt. „Nächste Woche muss ich wieder arbeiten“, sagt Bettina Fehrenbach. „Eigentlich freue ich mich drauf, weil das wieder ein Stück Normalität ist. Andererseits weiß ich noch nicht so recht, wie ich das schaffen soll. Denn richtig fassen kann ich das, was da geschehen ist, noch lange nicht.“

 

Dieser Artikel wurde original aus der Esslinger Zeitung entnommen,
wir übernehmen keine Verantwortung für den Inhalt.

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